Gute Gestaltung macht Produkte und Dienstleistungen liebenswert. Neben allen funktionalen Aufgaben gilt Design daher meist dann als besonders gelungen, wenn es das Herz berührt. Warum dies so ist, untersucht die internationale Designkonferenz Typo Berlin, die ab heute drei Tage lang das gesamte Berliner Haus der Kulturen der Welt bespielt. Unter dem Motto „Touch“ widmen sich rund 60 Koryphäen aus den Bereichen Gestaltung, Grafik, Kunst und Medien in Vorträgen, Diskussionen und Workshops den anrührenden Aspekten des Designs, darunter veritable Stars der Branche, wie Neville Brody, Ken Garland, Jessica Walsh und Gesche Joost. Der Veranstalter erwartet rund 1.200 Designer, Typografen und Mediengestalter sowie 70 Journalisten und Blogger aus der ganzen Welt.
Design-Ikonen und junge Talente
Die Typo Berlin findet in diesem Jahr zum 18. Mal statt. Zur Feier dieses Anlasses wird mit Neville Brody einer der Geburtshelfer der Veranstaltung auftreten. Brody war Initiator der ersten FontShop-Konferenz Fuse 95, aus der ein Jahr später die Typo Berlin wurde. Der Typograf, Schriftentwerfer und Artdirektor ist bis heute einer der einflussreichsten Designer. Mit Joan und Erik Spiekermann gründete er 1989 FontShop International und die FontFont-Bibliothek. 1994 startete Brody die Research Studios in London. Heute ist er Dekan am Londoner Royal College of Art, Präsident des D&AD und Leiter des BBC Online Advisory Boards.
Seit fünf Jahrzehnten streitet die britische Grafik-Legende Ken Garland für nachhaltiges Design. Er ebnete damit den Weg für das, was wir heute „good design“ nennen. Sein Vortrag im Rahmen der Partnerkonferenz Typo London im vergangenen Jahr war für alle, die ihn erleben durften, ein unvergessliches Erlebnis.
Von berühmten Design-Ikonen zu jungen Talenten: Viel Wirbel gab es in der Designwelt, als Stefan Sagmeister 2012 verkündete, er werde von nun an mit Jessica Walsh gemeinsame Sache machen. Doch schon davor war die erst 25-jährige Designerin, Artdirektorin und Illustratorin beileibe kein unbeschriebenes Blatt: Für das „Computer Arts Magazine“ ist sie ein „Top Rising Star in Design“, der US-Art Director’s Club kürte sie zum „Young Gun“. Auch zwei der derzeit größten jungen englischen Design-Talente sprechen auf der Typo: Die 27-jährige Kate Moross hat sich mit aufregenden Arbeiten in den Bereichen Illustration, Motion Graphics, Fotografie und Film für Aufraggeber wie Paul Smith und Topshop in kürzester Zeit einen Namen gemacht. Paul Barnes, der bereits für so unterschiedliche Auftraggeber wie Givenchy, den Fernsehsender abc und Popstar Björk gearbeitet hat, wurde von der Lifestyle-Bibel Wallpaper als einer der „einflussreichsten Designer unter 40“ bezeichnet. Für den Guardian ist er gar einer der wichtigsten britischen Designer unserer Zeit. Die deutsche Designerin Gesche Joost leitet das Design Research Lab der TU Berlin. Erst kürzlich wurde gemeldet, dass SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück die junge Professorin als Beraterin für den Bereich Digitale Medien in sein Kompetenzteam einberufen hat. Auf der Typo wird sie über „Touch“ als Interaktionsprinzip für moderne Gestaltung der Forschung referieren.
Osteuropäisches Design
„Touch“ wollen die Veranstalter auch im Sinne von Begegnung verstanden wissen. Ein Schwerpunkt der Typo 2013 ist das osteuropäische Design. Im von Helena Dell-Kolaschnik und Rene Wawrzkiewicz kuratierten Tagesprogramm dreht sich am Freitag und Samstag alles um Projekte aus Polen und Russland. Wegweisende russische und polnische Designer geben einen Einblick in die lokale Szene. Mit dabei sind u. a. die Magazin-Designer Mitya Kharshak, Peter Bankov und Jacek Utko, die Infografiker Alexej Novichkov und Michail Simakov, die Branding-Expertin Svetlana Landl und die polnischen Blogger von Fajne Chłopaki & Pan Tu Nie Stał.
Typografie-Duell und alte Schätze
Auf der TYPO werden neben Vorträgen und Workshops auch (Wort-) Fetzen fliegen: Im Netz erfreut sich das Typografie-Duell Lettering versus Calligraphy der Schriftkünstler Martina Flor und Giuseppe Salerno großer Beliebtheit. Im Haus der Kulturen de Welt treten sie sich erstmals auf einer Bühne vor Publikum gegenüber. Noch eine Premiere: Zum ersten Mal seit seiner Gründung 1990 tagt das höchste Gremium der FontFont-Schriftbibliothek, das „TypeBoard“ öffentlich. Zweimal jährlich entscheidet es über die Aufnahme exklusiver Neuentwürfe, die aus aller Welt eingereicht werden. Auf der Typo verlassen Erik Spiekermann, Erik van Blokland, Stephen Coles, Andreas Frohloff, Jürgen Siebert und Ivo Gabrowitsch ihre Kanzel, um anhand von von mutigen Typo-Besuchern eingereichten Beispielen darzulegen, was gute von schlechten Schriften unterscheidet.
Hand-Druckmaschinen sind so beliebt wie schon lange nicht mehr. Was viele nicht wissen: Erik Spiekermann ist gelernter Schriftsetzer und seit Jahren leidenschaftlicher Druckmaschinen-Sammler. Er wird einige seiner Schätze zur Typo mitbringen. Im Foyer des Hauses der Kulturen der Welt können Besucher hier selbst Hand anlegen.
Radtour und Party
Den Abschluss der Designkonferenz bildet traditionell die Typo-Night. Die Party für alle Konferenzteilnehmer und Typo-Interessierte findet in diesem Jahr in der Alten Münze in Berlin-Mitte statt. Am Tag darauf wird noch im Nachklang der Konferenz das typografische Berlin erkundet: Auf der Typo London war die Fahrradtour mit Erik Spiekermann bereits ein Höhepunkt. Diese Tradition wird nun mit einer Berliner „Typo Bike Tour“ zu bekannten wie unbekannten Grafik-Sehenswürdigkeiten fortgesetzt. Rund um die Designkonferenz finden darüber hinaus in der ganzen Stadt Ausstellungen um das Thema Typografie und Design statt, darunter die Schau „Word Jazz“ in der Schriftengalerie Mota Italic und die vom Gutenberg Museum konzipierte Ausstellung „On Type – Texte zur Typografie“ im Bauhaus-Archiv.
Restkarten
Für die Typo Berlin 2013 sind noch wenige Restkarten am Schalter im Haus der Kulturen der Welt erhältlich. Karten für die Typo-Night in der Alten Münze bekommt man noch an der Abendkasse. Das komplette Programm und alle Redner, Vorträge und Video-Podcasts der vergangenen Jahre lassen sich auf www.typotalks.com abrufen. Zwei ausgewählte Präsentationen pro Konferenztag werden direkt auf der Konferenz-Website übertragen.