Der Berufsverband der Deutschen Kommunikationsdesigner (BDG) hat gestern die Ergebnisse einer Internet-Umfrage vorgelegt, auf deren Basis er eine „Stern“-Studie widerlegen wollte, nach der Designer Spitzenverdiener sind (dasauge berichtete). Die BDG-Zahlen waren ernüchternd: mehr als ein Viertel der Teilnehmer verdienen hiernach weniger als 15.000 Euro netto im Jahr, sieben Prozent sogar weniger als 5.000 Euro.
dasauge hatte einige Rückfragen zur Lesart der vom BDG vorgelegten Daten und ihrer Aussagekraft über Berufs-Designer und sprach daher mit Arne Leichert, dem Referatsleiter Öffentlichkeitsarbeit des BDG.
Herr Leichert, das Umfrageformular hat keinerlei Voraussetzungen für die Teilnahme genannt. Auf welcher Grundlage können Sie daher davon ausgehen, dass sich nur professionelle Designer zur Teilnahme berufen gefühlt haben?
Wir gehen nicht davon aus, dass ausschließlich professionelle Designer teilgenommen haben. Ein methodisches Problem von Online-Befragungen ist, dass man nicht weiß, wer vor dem Computer sitzt. Der Teilnahmeaufruf über den FontBlog mit seiner Fachleserschaft und der nur sehr kurze Teilnahmezeitraum sollte jedoch eine hohe Anzahl an Designern eingebracht haben. „Teilnahmevoraussetzungen“ hätten da auch keine höhere Sicherheit eingebracht.
Wir haben in unserer Pressemitteilung darauf hingewiesen, dass unsere Umfrage nicht repräsentativ sein kann und alle Schlussfolgerungen mit gebotener Vorsicht gezogen werden sollten. Bei über tausend Teilnehmern kann man das Ergebnis allerdings auch nicht einfach abtun. Eine vermeintliche Schwäche der Umfrage ist ironischerweise vielleicht genau ihre Stärke: jeder, der meint Designer zu sein macht mit – wie im echten Designerleben.
Die Frage stellt sich vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sieben Prozent angegeben haben, Nettoeinkünfte zwischen null und 5.000 Euro jährlich zu beziehen, was ja eher gegen eine hauptberufliche Tätigkeit spricht.
Die deutlich überwiegende Mehrheit der sieben Prozent hat eine Vollarbeitszeit angegeben. Diese Zahlen decken sich durchaus mit Rückmeldungen, die wir aus dem Markt erhalten. Vor dem Hintergrund kann Ihre Vermutung, es handele sich um Teil- oder Freizeitdesigner, wohl eher nicht bestätigt werden.
Warum hat der BDG denn keine Mitgliederbefragung durchgeführt? Wäre hierduch nicht ein repräsentatives Ergebnis und eine Eingrenzung der Teilnehmerschaft auf die Zielgruppe möglich gewesen?
Als Mitgliederbefragung wäre diese Umfrage zwar für uns als Berufsverband aufschlussreich gewesen, von Repräsentativität hätte man angesichts des niedrigen Organisationsgrades der Designbranche – nur circa fünf Prozent sind in Verbänden – wohl kaum sprechen können. Auch qualitativ repräsentieren unsere Mitglieder nicht den Markt, da sie einen Hochschulabschluss oder eine mehrjährige Berufspraxis als Bedingung für die Aufnahme nachweisen mussten.
Generell kann derzeit niemand Repräsentativität gewährleisten, da für ein repräsentativ zusammengestelltes Panel die demoskopische Grundlage fehlt. Wir haben in unserer Pressemitteilung auch deutlich gemacht, dass wir nicht für uns in Anspruch nehmen, eine repräsentative Umfrage vorgelegt zu haben. Wir können daher Ihre Sichtweise nicht teilen, dass durch eine Befragung unserer Mitglieder eine repräsentatives Ergebnis und eine Eingrenzung der Teilnehmerschaft auf die Zielgruppe möglich gewesen wäre.
Was sind denn die Ursachen für die kritisierten Verhältnisse? Können Sie einen Schuldigen ausmachen?
So monokausal, wie Ihre Frage suggeriert, wird man sich den Ursachen wohl nicht nähern können. Wir können auch nur spekulieren, glauben aber, dass wir dabei einen „educated guess“ wagen können. Ein Teil des Marktzustandes ist vermutlich noch der Finanzkrise geschuldet. Es hat, das bestätigen uns Kollegen immer wieder, in der Krise eine beschleunigte Verschiebung der Marketingmaßnahmen weg von Print- und hin zu Onlineaktivitäten stattgefunden. Im Printsegment ist die Krise noch nicht ganz durchgestanden, im Onlinesegment brummt der Motor schon wieder. Teilweise kann man das Segment der niedrigen Einkommen auch aus fehlender Professionalität heraus begründen. Das war, besonders in den vergangenen Boom-Jahren, ein beliebter Erklärungsansatz. Doch fehlende Professionalität kann unseres Erachtens den Marktzustand nicht erklären. Bei gesteigerter Professionalität würde der Wettbewerb um die Aufträge dann eben einfach professioneller geführt.
Letztlich ist für uns die plausibelste Erklärung, dass die Nachfrage nach Design für die Anzahl der Anbieter zu gering ist. Da der Markt in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen ist, kann das wiederum nur heißen, dass noch über das Marktwachstum hinaus Anbieter in den Markt eingetreten sind. Tatsächlich haben wir verstärkt „Einwanderer“ aus benachbarten Berufsgruppen zu verzeichnen, unter anderem beispielsweise von den Architekten. Den Architekten geht es nach Zahlen der Architektenkammer nämlich noch schlechter, hier liegt rund ein Drittel auf Hartz-IV-Niveau – Hobbyisten bereits heraus gerechnet.
Wie ändert man dann dieses Missverhältnis?
Eine Erhöhung kann man nicht befehlen. Liegen wir mit unseren Ursachenspekulationen richtig, dann folgt daraus, dass die Zuwanderung aus benachbarten Berufen mit ähnlicher Ausbildung erst stoppen wird, wenn sich die Erwerbssituation des Kommunikationsdesigns der in den benachbarten Berufen angeglichen hat. Da steckt ein bisschen hochschulpolitischer Sprengstoff drin. Denn die Einkommen werden erst steigen, wenn Angebot und Nachfrage wieder ins Gleichgewicht geraten sind, entweder durch Erhöhung der Nachfrage oder durch Verringerung des Angebots. Auf der Nachfrageseite sind wir tätig, sprechen mit IHKen und staatlichen Stellen, um die Akzeptanz des Designs zu verbessern. Doch das sind eher langfristig angelegte Strategien, die auf den Markt als Ganzes zielen.
Würden Sie jungen Menschen denn heute weiterhin eine Designausbildung empfehlen oder würden Sie aus wirtschaftlichen Gründen abraten?
Unsere Empfehlung heißt grundsätzlich: „Bildung, Ausbildung, Weiterbildung“ – in unserem wie in allen anderen Bereichen. Man kann einem jungen, am Designstudium interessierten Menschen nur raten, sich im Vorfeld gut über den Beruf zu informieren und hierbei die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht außen vor zu lassen.